Verschiedene Weisungen über die Übung der Tugenden
Dritter Teil
     
 

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27. Kapitel
Anstand im Reden – Achtung vor den Mitmenschen.

Wenn jemand mit der Zunge nicht sündigt, ist er vollkommen, sagt der hl. Jakobus (3,2). Hüte dich sorgfältig, irgendein unanständiges Wort zu sagen; wenn du es auch nicht in böser Absicht sagst, deine Zuhörer können es so auffassen. Wenn die unanständige Rede eine schwache Seele trifft, greift sie um sich und breitet sich aus wie ein Öltropfen auf der Leinwand; sie packt zuweilen das Herz mit solcher Gewalt, dass sie es mit tausend lüsternen Gedanken und Versuchungen erfüllt. Wie das körperliche Gift durch den Mund in den Körper eindringt, so gelangt das geistige durch das Ohr in das Herz. Die Zunge, die ihm dieses Gift einflößt, ist die Mörderin. Wenn auch das Gift, das sie verspritzt, nicht immer wirkt, weil das Herz mancher Zuhörer durch ein Gegengift gefeit ist, so mangelt es ihm doch nicht an Schärfe, um anderen den Tod zu bringen.
Keiner soll mir sagen, dass er nicht daran gedacht habe! Denn der Herr, der die Gedanken kennt, hat gesagt, dass der Mund aus der Fülle des Herzens spricht (Mt 12,34). Wenn wir auch nichts Schlechtes dabei dächten, der böse Feind denkt es um so mehr und bedient sich heimlich solcher anstößiger Worte, um das Herz des einen oder anderen damit zu verwunden.
Man sagt, wer vom so genannten englischen Kraut esse, habe immer einen angenehmen Atem. Wer im Herzen anständig und rein, also den Engeln ähnlich ist, der führt stets nur saubere, höfliche und keusche Reden im Mund. Unanständiges soll man nach der Weisung des Apostels nicht einmal erwähnen (Eph 5,3). Er versichert, dass nichts mehr die Sitten verdirbt als schlechte Reden (1 Kor 15,33).
Wenn Unanständiges versteckt, zweideutig und witzig gesagt wird, ist es noch viel gefährlicher. Je spitzer der Pfeil ist, desto leichter dringt er in den Körper ein; je feiner geschliffen eine solche Rede ist, desto tiefer dringt sie ins Herz. Wenn jemand glaubt, ein galanter Mann zu sein, weil er solche Worte in Gesellschaft gebraucht, dann weiß er nicht, wozu man in Gesellschaft geht. Sie soll einem Bienenschwarm gleichen, der Honig sammelt, angenehme und sittsame Unterhaltung pflegen, nicht aber wie ein Wespenhaufen sich auf Schmutz und Fäulnis stürzen.
Sagt dir irgendein Dummkopf anstößige Worte, dann zeig ihm, dass sie dich beleidigen, wende ihm den Rücken zu oder lass es ihn auf andere Weise merken, wie es dir die Klugheit eingeben wird.
Spott ist eine der schlechtesten Geistesanlagen. Gott hasst dieses Laster aufs tiefste und hat es vormals schwer bestraft. Nichts ist der Liebe und noch mehr der Frömmigkeit so entgegengesetzt wie die Verachtung des Nächsten. Auslachen und Verspotten geht nie ohne Verachtung ab, daher ist es auch schwere Sünde. Die Lehrer der Frömmigkeit sagen mit Recht, dass der Spott die schlimmste Kränkung ist, die man durch Worte zufügen kann, weil bei anderen kränkenden Worten doch eine gewisse Achtung vorhanden sein kann, beim Spott aber nur Verachtung.
Wortspiele aber und Neckereien, die man einander bei fröhlicher, anständiger Unterhaltung zuwirft, gehören zur Tugend, die bei den Griechen Eutrapelia, bei uns Geselligkeit heißt. Man neckt einander fröhlich und spaßt miteinander in harmloser Weise über die kleinen Fehler und Menschlichkeiten, die jeder aufweist. Man muss nur Acht geben, dass man nicht von unschuldiger Neckerei zum Spott übergeht. Der Spott reizt nur durch die Geringschätzung des anderen zum Lachen, bei fröhlicher Neckerei aber lachen wir über die herzlich frohen Worte, die mit unbeschwertem Freimut in freundschaftlicher Offenheit gesagt werden. Manchmal wollten Ordensleute mit dem hl. Ludwig nach dem Mahl über ernste Dinge sprechen, er wies das aber zurück mit der Begründung, jetzt sei nicht die Zeit für theologische Gespräche, sondern für frohe und heitere Erholung, jeder möge in Ehrbarkeit sagen, was ihm Spaß mache. Damit wollte er den Edelleuten der Gesellschaft Gelegenheit zu ungezwungener Unterhaltung geben.
Verbringen wir aber die Zeit unserer Erholung immer so, dass wir die ewige Seligkeit durch unsere Frömmigkeit bewahren!

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