Verschiedene Weisungen über die Übung der Tugenden
Dritter Teil
     
 

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38. Kapitel
Weisungen für Eheleute.

Die Ehe ist ein großes Sakrament: „Ich sage das im Hinblick auf Christus und seine Kirche“ (Eph 5,32). Sie ist „ehrbar für alle“ (Hebr 13,4), in allen und in allem, d. h. in allen Teilen; für alle, denn auch jungfräuliche Menschen sollen sie in Demut hochschätzen; sie ist gleich heilig bei den Armen wie bei den Reichen; in allem, denn ihr Ursprung, ihr Ziel, ihr Nutzen, ihre Form und ihr Gegenstand sind heilig. Sie ist die Pflanzschule des Christentums, die der Erde die Gläubigen schenkt, um im Himmel die Zahl der Auserwählten voll zu machen. Die Erhaltung der Ehe ist für das öffentliche Leben ungeheuer wichtig, denn sie ist Ursprung und Quelle aller seiner Ströme.
Gebe Gott, dass sein vielgeliebter Sohn bei allen Hochzeiten zugegen sei, wie er es bei der zu Kana war! Nie wird dann der Wein der Freude und des Segens ausgehen. Dass er oft nur für die erste Zeit reicht, hat nämlich seinen Grund darin, dass man anstelle des Herrn und Unserer lieben Frau die Götter der Schönheit und Lust, Adonis und Venus, zu Gast geladen hat. Wer schöne, scheckige Lämmer haben will, muss wie Jakob den trächtigen Schafen schöne farbige Stäbe vor die Augen halten (vgl. Gen 30,38f); und wer Segen für seine Ehe wünscht, sollte bei der Trauung die Heiligkeit und Würde dieses Sakramentes vor Augen haben. Leider wird die Hochzeit meist mit ausgelassenen Festen, Unterhaltungen und vielen Reden gefeiert; ist es dann verwunderlich, wenn ihre Wirkungen ebenfalls ungeregelt sind?
Ich ermahne alle Eheleute zu jener gegenseitigen Liebe, die der Heilige Geist so eindringlich in der Heiligen Schrift empfiehlt. Es genügt nicht, ihr Eheleute, euch zu sagen: Liebet einander mit natürlicher Liebe, denn das tun auch die Turteltauben; auch nicht mit menschlicher Liebe, das taten auch die Heiden. Ich sage euch deshalb mit dem großen Apostel: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Jesus Christus seine Kirche liebt“ (Eph 5,25); ihr Frauen, liebt eure Männer, wie die Kirche ihren Heiland liebt! Gott selbst führte Eva unserem Stammvater Adam zu und gab sie ihm zur Frau; und, meine Freunde, Gott selbst war es, der mit unsichtbarer Hand das heilige Band eurer Ehe knüpfte und euch einander zum Besitz gab; warum liebt ihr euch nicht gegenseitig mit einer ganz heiligen, geheiligten und göttlichen Liebe?
Die erste Wirkung dieser Liebe ist die unlösbare Einheit eurer Herzen. Leimt man zwei Fichtenhölzer aneinander, so verbinden sie sich, einen guten Leim vorausgesetzt, so fest, dass man sie viel eher an einer anderen Stelle spalten kann als an der Verbindungsstelle. Gott aber hat Mann und Frau in seinem eigenen Blut vereinigt; deshalb ist diese Verbindung so stark, dass eher die Seele sich vom Leib trennen soll als der Mann von der Frau. Diese Verbindung betrifft aber nicht in erster Linie den Leib, sondern das Herz, seine Zuneigung und Liebe.
Die zweite Wirkung dieser Liebe muss die unverletzliche Treue zueinander sein. Früher war in die Ringe, die man am Finger trug, das Siegel eingelassen, wie selbst die Heilige Schrift bezeugt (vgl. Est 8,8; Dan 6,17; 14,10). Darin liegt auch der tiefe Sinn der kirchlichen Trauungszeremonien: Die Kirche segnet durch die Hand des Priesters den Ring und reicht ihn zuerst dem Mann; damit will sie zeigen, dass sie sein Herz mit diesem heiligen Sakrament versiegelt und verschließt, auf dass weder Name noch Liebe einer anderen Frau jemals Einlass finde, solange jene lebt, die ihm zur Gattin gegeben wurde. Der Mann steckt den Ring an den Finger seiner Braut, damit auch sie wisse, dass ihr Herz in gleicher Weise keinem anderen Mann sich in Liebe zuwenden darf, solange der lebt, den der Herr ihr eben gegeben hat.
Die dritte Frucht der Ehe ist die Zeugung und Erziehung der Kinder. Gott will die Zahl der Seelen vermehren, die ihn die ganze Ewigkeit hindurch loben und preisen dürfen. Es ist eine große Ehre für euch, ihr Eheleute, dass Gott euch dabei mitwirken lässt, indem ihr den Leib zeugt, in den Gott selbst die Seele, die er erschaffen hat, als himmlische Gabe senkt.
Bewahrt also euren Frauen eine zarte, beständige und herzliche Liebe, ihr Ehemänner! Deshalb wurde ja die Frau aus nächster Herzensnähe des ersten Menschen genommen, damit sie von ihm herzlich und zärtlich geliebt werde. Die körperliche und geistige Unterlegenheit der Frau darf in euch keinerlei Geringschätzung entstehen lassen, sondern ein gütiges und liebevolles Verständnis. Gott hat sie so geschaffen, dass sie von euch abhängig sei, euch Achtung und Ehrfurcht entgegenbringe, dass sie zwar eure Gefährtin sei, ihr aber zugleich ihr Haupt und Vorgesetzter.
Ihr Frauen, liebt euren Mann, den Gott euch gegeben hat, zärtlich und herzlich, gleichzeitig aber voll Achtung und Hochschätzung! Gott hat ihn deswegen kräftiger und euch überlegen geschaffen; er wollte, dass die Frau vom Mann abhängig ist, als Gebein von seinem Gebein, als Fleisch aus seinem Fleisch (vgl. Gen 2,23). Nach Gottes Plan wurde die Frau aus seinem Leib unterhalb des Armes entnommen, um damit zu zeigen, dass der Mann seine Hand über sie halten und sie führen soll. Die Heilige Schrift empfiehlt immer wieder diese Unterordnung der Frau unter den Mann, sie macht diese Unterordnung aber zu einer liebevollen; die Frau soll sich in Liebe fügen, der Mann aber seine Autorität mit inniger, zärtlicher Güte ausüben. Der hl. Petrus sagt: „Ihr Männer, seid verständig gegen eure Frauen; sie sind die schwächeren Geschöpfe, erweist ihnen Achtung“ (1 Petr 3,7).
Eure Liebe zueinander soll immer stärker und inniger werden; hütet euch aber, dass sie nicht zur Eifersucht entarte. Der Wurm frisst gern den saftigsten und reifsten Apfel an; so entsteht die Eifersucht unter Eheleuten meist da, wo die Liebe am heftigsten und leidenschaftlichsten ist, verdirbt und zerstört sie aber, denn sie ruft Streit, Zwietracht und schließlich die Entfremdung hervor. Mit Sicherheit wird die Eifersucht dort nie entstehen, wo auf beiden Seiten die Liebe in der wahren Tugend begründet ist. Eifersucht ist ein untrügliches Zeichen einer grob-sinnlichen und unvollkommenen Liebe, einer mangelhaften und fragwürdigen Tugend. Es wäre also törichte Prahlerei, wenn man die Tiefe einer Zuneigung durch den Grad der Eifersucht kennzeichnen wollte; die Eifersucht ist wohl ein Gradmesser der Größe und Heftigkeit der Liebe, nicht aber ihrer Echtheit, Reinheit und Vollkommenheit. Eine vollkommene Freundschaft setzt das sichere Vertrauen auf die Tugend des geliebten Menschen voraus; die Eifersucht aber besteht gerade im Misstrauen gegen diese Tugend.
Wenn ihr Männer wollt, dass euch die Frauen treu sind, dann geht ihnen mit gutem Beispiel voran! „Wie habt ihr die Stirn“, sagt Gregor von Nazianz, „von euren Frauen Keuschheit zu verlangen, wenn ihr selbst unkeusch lebt? Wie könnt ihr von ihnen erwarten, was ihr selbst nicht gebt?“ Wollt ihr, dass sie keusch sind? Dann seid keusch mit ihnen, wie der hl. Paulus sagt: „Jeder soll seine Gattin besitzen in Heiligkeit und Ehrbarkeit“ (1 Thess 4,4). Wenn ihr sie aber Schimpfliches lehrt, dann ist es kein Wunder, dass euch die Schmach wird, sie zu verlieren.
Ihr Frauen, deren Ehre unzertrennlich mit der Keuschheit und Ehrbarkeit verbunden ist, bewahrt eifersüchtig euren Ruf: gestattet nicht, dass die geringste Unehrbarkeit euren makellosen Ruf trübe. Fürchtet jeden auch noch so geringfügigen Angriff auf diesen Ruf, duldet kein Hofieren. Wer deine Schönheit und Anmut lobt, muss dir verdächtig sein; denn wer eine Ware lobt, die er nicht kaufen kann, ist gewöhnlich sehr versucht, sie zu stehlen. Wer aber den Schmeicheleien für dich geringschätzige Worte über deinen Mann hinzufügt, beleidigt dich in gröbster Weise. Die Sache ist ganz klar: er will dich nicht nur verderben, sondern hält dich schon für halb verdorben; denn ein Handel ist schon zur Hälfte mit dem zweiten Käufer abgeschlossen, wenn man des ersten überdrüssig wird. Wie früher pflegen auch heute noch die Frauen Perlen als Ohrgehänge zu tragen; Plinius behauptet, es sei der Freude am Klirren wegen, wenn sie aufeinander schlagen. Ich denke aber, dass der große Gottesfreund Isaak der keuschen Rebekka als erstes Zeichen seiner Liebe Ohrgehänge sandte (Gen 24,22), um zu sagen, dass dieser geheimnisvolle Schmuck auf das hinweist, was dem Mann an einer Frau zuerst gehören und was sie ihm treu bewahren muss, nämlich ihr Ohr, damit kein anderes Wort und kein Laut dort Zutritt erhalte als der freundliche und liebenswürdige Klang reiner und keuscher Worte, die den morgenländischen Perlen der Heiligen Schrift vergleichbar sind. Man halte sich stets vor Augen, dass die Seele durch das Ohr vergiftet wird, wie der Leib durch den Mund.
Liebe und Treue, miteinander verbunden, erzeugen stets die Vertraulichkeit und das Vertrauen. Deshalb liebkosten verheiratete Heilige einander gern in liebevoller aber keuscher Weise, zärtlich aber ohne Falsch. So konnten Isaak und Rebekka, das keuscheste Ehepaar der alten Zeit, am Fenster gesehen werden, wie sie einander in allen Ehren innig liebkosten, so dass Abimelech sie als Eheleute betrachten musste. Der große hl. Ludwig, ebenso streng gegen sich selbst wie liebevoll gegen seine Gemahlin, wurde seiner überströmenden Liebkosungen wegen fast getadelt. Eher hätte er dafür Lob verdient, da er sich trotz seines kriegerischen und tapferen Wesens zu diesen kleinen Gefälligkeiten herabließ, die für die Erhaltung der ehelichen Liebe notwendig sind. Wenn diese kleinen Beweise einer reinen und aufrichtigen Freundschaft auch nicht gerade die Herzen aneinander ketten, so bringen sie diese doch einander nahe und sind eine angenehme Beigabe der Lebensgemeinschaft.
Als die hl. Monika den hl. Augustinus unter ihrem Herzen trug, weihte sie ihn wiederholt der christlichen Religion und dem Dienst der Ehre Gottes. Er selbst bezeugt, dass er die Liebe Gottes schon im Mutterschoß verkostete. Das ist eine ernste Mahnung an die christlichen Frauen, die Frucht ihres Leibes der göttlichen Majestät aufzuopfern, noch ehe sie das Licht der Welt erblickt. Gott, der die Opfergabe eines demütigen und willigen Herzens gern annimmt, unterstützt gewöhnlich die guten Wünsche der Mütter in dieser Zeit. Zeugen dafür sind Samuel, Thomas von Aquin, der hl. Andreas von Fiesole und viele andere. Die Mutter des hl. Bernhard, die würdige Mutter eines großen Sohnes, nahm ihre Kinder sogleich nach der Geburt in ihre Arme und opferte sie Jesus auf. Darauf liebte sie diese voll Ehrfurcht als geheiligte und ihr von Gott anvertraute Wesen; das beglückende Ergebnis war, dass alle sieben Heilige wurden.
Sobald die Kinder heranwachsen und sich der Vernunft zu bedienen beginnen, müssen Vater und Mutter sich mit heiliger Sorgfalt bemühen, ihnen die Gottesfurcht ins Herz zu senken. Die edle Königin Blanca erwies diesen Liebesdienst ihrem Sohn, dem heiligen König Ludwig, dem sie oft und oft sagte: „Ich möchte dich lieber vor meinen Augen sterben als eine einzige Todsünde begehen sehen.“ Das prägte sich dem Herzen dieses heiligen Kindes so fest ein, dass nach seinem eigenen Geständnis kein Tag verging, ohne dass er daran dachte und sich mit allen Kräften bemühte, dieser heiligen Lehre zu folgen.
Geschlechter und Generationen nennt man zuweilen „Häuser“; bei den Hebräern hieß der Kindersegen auch der „Aufbau des Hauses“. Deshalb sagt auch die Heilige Schrift, dass Gott den Hebammen von Ägypten Häuser baute. Daraus wird deutlich, dass man ein Haus nicht dadurch groß macht, wenn man viele zeitliche Güter hineinsteckt, sondern wenn man die Kinder in Gottesfurcht und Tugend erzieht; dafür darf man keine Mühe und Anstrengung scheuen, da ja „die Kinder die Krone der Eltern sind“ (Spr 17,6). So wirkte die hl. Monika beharrlich und eifrig den schlechten Neigungen ihres Sohnes Augustinus entgegen, folgte ihm über Länder und Meer, bis dieses Kind ihrer Tränen nach seiner Bekehrung glücklicher war denn als Kind ihres Blutes durch seine leibliche Geburt.
Der hl. Paulus weist den Frauen als Aufgabe die Pflege des Hauses zu (vgl. Tit 2,5). Deshalb nehmen viele mit Recht an, die Frömmigkeit der Frau sei für die Familie von größerem Nutzen als die des Mannes; sein Arbeitsfeld liegt gewöhnlich außerhalb des Hauses, deshalb kann er die Kinder und das Gesinde nicht so wirksam zur Tugend anhalten wie die Frau. Darum hängt nach dem Buch der Sprüche (Kap. 30) das Gedeihen des ganzen Hauses von der Sorgfalt und Mühe der starken Frau ab, deren Lob es singt.
Als Isaak erkannte, dass seine Frau kinderlos blieb, bat er den Herrn für sie, oder nach dem hebräischen Text, betete er ihr gegenüber zum Herrn (Gen 25,21), so dass er auf der einen, seine Frau auf der anderen Seite des Raumes betete. Dieses Gebet wurde erhört. In der Frömmigkeit werden Mann und Frau sehr innig miteinander verbunden; diese Verbundenheit wirkt sich überaus segensreich für das Zusammenleben aus. Es gibt Früchte, wie die Quitte, die wegen ihrer Herbheit nur in Zucker eingemacht genießbar sind; andere wieder, wie Kirschen und Aprikosen, sind wegen ihres zarten, feinen Fleisches ebenfalls nur in Zucker haltbar. So müssen auch die Frauen ihre Männer von Frömmigkeit durchdrungen wünschen, denn der religiös kalte Mann ist wie ein wildes, ungebändigtes und rohes Tier. Die Männer dagegen sollen sich ihre Frauen fromm wünschen, denn ohne Frömmigkeit ist die Frau sehr schwach, der Verführung und der Trübung ihrer Tugend ausgesetzt. Der hl. Paulus sagt: „Der ungläubige Mann wird durch seine gläubige Frau geheiligt und die ungläubige Frau durch ihren gläubigen Mann“ (1 Kor 7,14), denn in der innigen Gemeinschaft der Ehe kann der eine den anderen gut zur Tugend anleiten. Welcher Segen aber, wenn beide, Mann und Frau, gläubig einander in wahrer Gottesfurcht heiligen!
Im übrigen sollen sie sich so gut vertragen, dass sie einander nie zürnen, dass es nie Streit oder Zank zwischen ihnen gibt. Die Bienen halten sich nicht an Orten auf, wo Echo und Widerhall jeden Laut verstärken; so weilt auch der Geist Gottes nicht in einem Haus, das von Vorwürfen, Geschimpfe, Streit und Schreien widerhallt.
Der hl. Gregor von Nazianz bezeugt, dass zu seiner Zeit die Eheleute den Jahrestag ihrer Trauung feierlich zu begehen pflegten. Ich würde es sehr begrüßen, wenn dieser Brauch wieder eingeführt würde, doch ohne Aufwand von weltlichen und sinnlichen Vergnügungen. Mann und Frau sollen an diesem Tag zur heiligen Beichte und Kommunion gehen und inniger noch als sonst Gottes Segen auf das Gedeihen ihrer Ehe herabrufen, den festen Entschluss erneuern, einander in herzlicher Liebe und Treue zu heiligen; dadurch werden sie im Herrn neuen Mut fassen, um die Bürde ihres Standes tapfer zu tragen.

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