Verschiedene Ratschläge, um die Seele durch das Gebet und die Sakramente zu Gott zu erheben
Zweiter Teil
     
 

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19. Kapitel
Die heilige Beichte.

Unser Heiland hinterließ seiner Kirche das heilige Bußsakrament, um uns von allen Sünden reinzuwaschen, mit denen wir uns befleckt haben. Lass also nie zu, dass dein Herz länger an der Sünde krank ist, da dir ein so sicheres und einfaches Heilmittel zur Verfügung steht. Eine Seele, die ihre Zustimmung zur Sünde gegeben hat, muss vor sich selbst erschrecken und sich möglichst bald reinigen aus Ehrfurcht vor der Majestät Gottes, der ständig auf sie herabblickt. Ach, wäre es nicht ein Übermaß an Torheit, den geistlichen Tod zu sterben, da uns ein so wirksames Heilmittel gegeben ist?!
Beichte demütig jede Woche und nach Möglichkeit, sooft du die heilige Kommunion empfängst, auch wenn dir dein Gewissen keine Todsünde vorwirft. Durch die Beichte erhältst du ja nicht nur die Lossprechung von den lässlichen Sünden, die du bekennst, sondern darüber hinaus viel Kraft, um sie in Zukunft zu meiden, Licht, um sie klar zu erkennen, reiche Gnade, um den ganzen Verlust auszugleichen, den sie dir verursacht haben. Du übst dabei auch Demut, Gehorsam, Einfalt und Liebe, somit bei der Beichte mehr Tugenden als bei irgendeiner anderen Handlung.
Die Sünden, die du beichtest, müssen dir wirklich Leid tun, so gering sie auch sein mögen. Sei auch fest entschlossen, sie in Zukunft zu meiden. Viele beichten lässliche Sünden rein gewohnheitsmäßig, ohne die Absicht, sie zu meiden; dadurch verlieren sie viele geistliche Werte und Möglichkeiten des Fortschritts. Beichtest du also, gelogen zu haben, ohne zu schaden, oder ein unpassendes Wort gesagt oder zu viel gespielt zu haben, so bereue es und sei fest entschlossen, dich zu bessern. Es ist ein Missbrauch, irgendeine Sünde, ob schwer oder lässlich, zu beichten ohne den Willen, sich davon zu reinigen; denn einzig zu diesem Zweck ist die Beichte eingesetzt worden.
Beichte nichts Überflüssiges. Auch das tun manche gewohnheitsmäßig: „Ich habe Gott nicht genügend geliebt; ich habe nicht so fromm gebetet, wie es meine Pflicht war; ich habe den Nächsten nicht geliebt, wie ich sollte; ich habe die heiligen Sakramente nicht mit der geziemenden Ehrfurcht empfangen ...“ Wenn du so beichtest, sagst du nichts, woraus der Beichtvater den Zustand deines Gewissens erkennen könnte, denn alle Heiligen des Himmels und alle Menschen auf Erden könnten das gleiche sagen. Sieh vielmehr, welchen besonderen Grund du zu dieser Anklage hast; hast du ihn gefunden, dann beichte den Fehler schlicht und einfach.
Wenn du z. B. beichtest, du habest den Nächsten nicht nach Gebühr geliebt, dann meinst du damit vielleicht, dass du dich einmal eines recht bedürftigen Armen nicht angenommen hast, dem du leicht hättest helfen und Trost spenden können. Beichte also diesen besonderen Fehler und sag: „Ich habe einen bedürftigen Armen gesehen und ihm nicht pflichtgemäß geholfen” – aus Nachlässigkeit, Herzenshärte oder Geringschätzung, worin du eben die Ursache dieses Fehlers siehst. Desgleichen beichte nicht, du habest nicht andächtig genug gebetet, sondern sag, ob du freiwillig zerstreut warst oder versäumt hast, den richtigen Ort zu wählen, die für ein andächtiges Gebet erforderliche Zeit aufzuwenden oder die entsprechende Haltung einzunehmen. Klage dich ganz einfach an, wie du meinst, gefehlt zu haben, ohne allgemeine Formeln, die die Beichte weder kalt noch warm machen.
Bei den lässlichen Sünden begnüge dich nicht damit, die Tatsachen zu nennen, sondern beichte auch die Beweggründe dazu. So begnüge dich nicht mit dem Bekenntnis, dass du gelogen hast, ohne jemand zu schaden, sondern sag auch, ob es aus Eitelkeit geschehen ist, um dich hervorzutun oder zu entschuldigen, ob zum Scherz oder aus Eigensinn. Hast du dich durch das Spielen versündigt, dann gib an, ob es aus Gewinnsucht oder aus Gefallen an der Unterhaltung geschah; so mache es bei allen Sünden. Sag auch, ob du lang in der Sünde verweiltest, denn gewöhnlich wächst die Sünde mit der Dauer. Es ist ja ein großer Unterschied zwischen einer vorübergehenden Eitelkeit, die eine Viertelstunde anhielt, und einer Eitelkeit, die unser Herz einen, zwei, drei Tage erfüllte. Sag also die Tatsache, den Beweggrund und die Dauer deiner Sünden; wenn auch bei lässlichen Sünden im allgemeinen keine Verpflichtung zu diesem genauen Bekenntnis besteht und man sie an sich überhaupt nicht beichten muss, so sollen doch jene, die ihre Seele gründlich läutern wollen, um zur wahren Frömmigkeit zu streben, sorgsam darauf bedacht sein, dem Seelenarzt auch das kleinste Übel aufzudecken, von dem sie geheilt werden wollen.
Versäume nicht zu sagen, was notwendig ist, um die besondere Art deiner Sünden erkennen zu lassen, also warum du zornig wurdest oder jemand in seinem Laster unterstützt hast. So nehme ich z. B. einem unsympathischen Menschen ein Scherzwort übel und gerate darüber in Zorn, während ich von einem mir angenehmen Menschen auch ein heftiges Wort ruhig aufnehme. Dann beichte also: „Ich habe mich zu zornigen Worten hinreißen lassen, nicht wegen der Worte, die man mir sagte, sondern weil ich den Betreffenden nicht leiden kann.“ Wenn es zum besseren Verständnis notwendig ist, noch mehr Einzelheiten zu sagen, dann halte ich es für gut, dies zu tun; denn wenn man sich in dieser Weise kindlich anklagt, deckt man nicht nur die begangenen Sünden auf, sondern auch die schlechten Neigungen, Gewohnheiten und andere Wurzeln der Sünde. Dadurch gewinnt der geistliche Vater eine gründlichere Kenntnis des Herzens, das er betreut, und sieht auch, welche Heilmittel ihm gut tun. Man muss aber sehr sorgfältig verschweigen, wer an der Sünde teilgenommen hat.
Achte auf gewisse Sünden, die oft ganz unbemerkt im Herzen wohnen und herrschen. Sieh zu, dass du dich davon reinigst. Lies zu diesem Zweck aufmerksam im dritten Teil dieses Buches die Kapitel 6, 27 bis 29, 35, 36 und das 8. Kapitel des vierten Teils.
Wechsle deinen Beichtvater nicht ohne triftigen Grund. Hast du einen gewählt, dann bleib dabei, ihm an den bestimmten Tagen Rechenschaft über deine Seele abzulegen. Sag ihm einfach und offen die Sünden, die du begangen hast. Von Zeit zu Zeit, z. B. jeden Monat oder jeden zweiten Monat gib ihm Einblick in den Stand deiner Neigungen, auch wenn sie dir nicht Anlass zur Sünde wurden; sag ihm, ob dich Traurigkeit oder Kummer quält, ob dich Freude bewegt oder der Wunsch nach Besitz und ähnliches.

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